10. November 2011

San Lazzaro degli Armeni - zweiter Besuch

Grüner Kreuzgang San Lazzaro

Und zwar nach sechs Jahren.
Zur Auffrischung der Eindrücke des ersten Besuches im Jahr 2005 (die man bei Interesse nachlesen kann, ich wiederhole sie natürlich nicht), und um ein paar Fotos zu machen (erst seit 2006 bin ich mit einem kleinen Billigknipserchen unterwegs). Und weil die ägyptische Mumie aus dem "Lord-Byron-Arbeitszimmer" derzeit verreist ist, quer übers San Marco-Becken auf Urlaub in der Ausstellung "Venezia e l'Egitto" im Dogenpalast. Schön abgedeckt mit einer Glasplatte, und tatsächlich roch es bei Lord Byron im armenischen Museum nicht so seltsam wie bei meinem ersten Besuch, als die Mumie offen in ihrer Kiste bzw. ihrem schönen Sakropharg liegend erheblichen Raum beanspruchte.

Brunnen im Kreuzgang

Es gibt einige weitere Veränderungen auf San Lazzaro: die wunderbare Installation von Jannis Kounellis in einer Kammer des Kreuzgangs wurde abgebaut. ZU schade! Ich hatte gehofft, sie wäre dauerhaft. (Es gab eine Fotoausstellung von Giorgio Armani (dem Modedesigner) über Armenien, nett, aber gar kein Vergleich.)


Brunnen im Raum vor dem Refektorium



Das Refektorium ist umgestellt worden: von einem langen
Esstisch in der Mitte des Raumes, an dem die Mönche wirklich "den Tisch teilten" zu einer U-Form, mit 2 Tischen entlang den Wänden und räumlicher Distanz zwischen den Tischen.

Das ist eine übliche Anordnung, aber bei nu
r einer Handvoll (buchstäblich) von Mönchen eine extrem unpersönliche Art Mahlzeiten gemeinsam einzunehmen. Vielleicht waren die paar Männer dazu übergegangen, sich beim Essen zu unterhalten? Was sie nicht dürfen, und man will auf diese Art durchsetzen, dass die Klappe gehalten wird? Ich weiß es nicht.
Die Wandvertäfelungen, Gemälde, vor allem das schlichte Geschirr und Besteck sind so schön wie ich sie sah, aber ich wünsche mir jetz
t nicht mehr, wie bei meinem ersten Besuch, in diesem schönen alten Ambiente an einer Mahlzeit teilnehmen zu dürfen.

Klosterkirche

Hocherfreulich ist die Neue-
rung, dass der monastische Dam
pfplau-
derer aus
dem Jahr 2005 ersetzt wurde durch eine junge armeni-
sche Frau, die jetzt die Führungen macht.

Sie fiel mir schon auf dem Vaporetto auf, weil sie für italienische Verhältnisse extrem unmodisch gekleidet und frisiert ist und sich absolut nicht mit optischen Mitteln aufzuwerten versucht. Auch bei der Begrüßung der Gäste völlig bescheiden und zurückhaltend, aber in ihrer Rolle selbstbewußt und Aufmerksamkeit fordernd.

Während der Führung dann: historisch und kunsthistorisch kompetent bis in die Details und z. B. auch in Fragen der armenischen Religion, der armenischen Sprache und Schrift. Mit echter Leidenschaft brennend für ihr Thema, keine Schauspielerin hätte mehr Ausdruck in Stimme, Blick, Mimik und Körpersprache legen können, die Aufmerksamkeit der Besuchergruppe besser herausfordern und befeuern können als diese unscheinbare Frau.
Treppenhaus zur Bibliothek/zum Museum

Es war toll, beeindruckend, eine richtig gute Erfahrung einer richtig guten Führung. Und natürlich reagieren die Leute darauf animiert, fragen nach und viele haben bezeichnenderweise am Ende das Bedürfnis, sich persönlich zu verabschieden und ein paar Worte der Anerkennung und des Dankes loszuwerden.
Die Kirche wird von der neuen Führerin wesentlich ausführlicher gezeigt und erläutert, als das früher der Fall war. Man darf sich jetzt auch frei in der Kirche bewegen und fotografieren, wird auch in die Apsis geführt um z. B. das Evangeliar näher zu sehen.
Das Fotoverbot im Kloster wird gesetzt aber großzügig gehandhabt, wer jedoch frech vor ihrer Nase mit der Kamera wedelt wird eindeutig zur Ordnung gerufen ("This is my first and last call!")

Kleiner Teil der alten Bibliothek

Der Kreuzgang wie beim letzten Besuch wunderschön grün, und vielleicht eine wichtige Information zu einer Exkursion, die immerhin über 2 Stunden dauert: es gibt ordentliche Gästetoiletten und Getränkeautomaten (an die ich mich vom letzten Mal nicht erinnere), neben dem Klostershop.

Das Betreten der grünen Bereiche beschränkt sich dauerhaft auf den "Vorgarten" um die Bootsanlege, es gibt keinen Zugang zu den ziemlich großen Gärten hinter dem Gebäudekomplex, siehe
Google Maps.
Es ist auch keine Kirchenfassade oder Apsis von aussen zu sehen, der Eingang zur Kirche befindet sich ja innerhalb des Kreuzgangs und die Apsis muss irgendwo in den Gärten sein.
Altes Armenierviertel hinter dem Markusplatz.
Im Sottoportego ist rechts der Eingang zur Kirche S. Croce



Mittlerweile fand ich im Internet weitere Informationen (siehe auch ganz unten), vor allem die Website Armenier in Venedig, eines Projekts des Liceo Scientifico G. B. Benedetti, (ehemalige Kirche S. Giustina nahe S. Francesco della Vigna) sehr beeindruckend. Hier wird man als Laie kompetent und kompakt in das Thema eingeführt.
Das armenische Seminar im Palazzo Zenobio kennt man durch Besuche während Biennale-Ausstellungen, auch das Angebot der Gästezimmer im Palazzo Zenobio. Den Palazzo Seriman in Cannaregio kannte ich als Kindergarten, wußte aber nicht, dass er ursprünglich armenisch war.



Erhaltene Deckenfresken im ehemaligen armenischen Viertel


Von der armeni
schen Geschichte der Ruga Giuffa bei S. Maria Formosa und vom alten armenischen Viertel Venedigs direkt hinter dem Markusplatz rechts und links der Calle del Fabbri zwischen San Gallo und San Zulian habe ich erst durch diese Website erfahren und die schönen Fresken am Rio terrà delle Colonne bewundert. Die beiden armenischen Wohn- und Handelsviertel existierten in Venedig lange vor der Ankunft der Mechitaristen und der Gründung des Klosters auf S. Lazzaro und des Seminars im Palazzo Zenobio.
Die Kirche der Armenier S. Croce wird jeweils am letzten Sonntag des Monats für Gottesdienste genutzt (der Gottesdienst auf S. Lazzaro ist dann nicht öffentlich).

Auf Youtube gibt es einen
kleinen Film über die Kirche S. Croce, eine Besichtigung ist während Gottesdiensten ja nicht möglich und es ist auch nicht Jedermanns Sache, in einer kleinen und fremden Gemeinde den Gottesdienst zu besuchen.




Armeniapedia
Weihnachten auf San Lazzaro
Being Armenian at San Lazzaro Island, Venice


Update am 08.12.2011:
ab dem 15.12.2011 gibt es bis zum 10. April 2012 eine Ausstellung zur armenischen Kultur im Museo Correr am Markusplatz.
Armenia. Imprints of a Civilisation.



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2 Kommentare:

Nauplion hat gesagt…

You keep showing lovely pictures that I haven't seen anywhere else. Thank you.

Anonym hat gesagt…

Hallo,
ich war 2009 auf der Insel. Mit dem Fotografieren gab es überhaupt kein Problem, die Kameras schwirrten nur so vor den Augen des (wie Sie ihn beschreiben) "Dampfplauderers" (Lange nicht mehr dieses Wort gehört). In sofern habe ich reichlich Bilder, teilweise auch von den herrlichen alten armenischen Schriften, die hemmkungslos fotografiert werden konnten.
Viele Grüße
Aldebaran