15. September 2012

Am Ende venezianischer Gassen...

Drei Säulen in der Corte Muazzo -
uralte Mitbringsel aus Torcello?
...stößt man auf einen Kanal oder auf das eine Haus, zu dem die Gasse letztlich führt. Venedig ist die Stadt der Gassen, an deren Ende man umdreht und zurück geht. 

In Castello, kurz hinter der Kirche SS. Giovanni e Paolo, führt von der Straße Barbaria delle tole rechts das Gässchen Calle Muazzo zum Palazzo, Corte, Ponte Muazzo. Das wird von der Venedig-WanderIn nicht ausgelassen, und sie landet durch einen kurzen dunklen Sottoportego in einem engen aber extrem hohen Innenhof. Zu klein für einen ergiebigen Wasserspeicher, deshalb gibt es hier keinen Pozzo, keine Blumenkästen, in diesen düsteren Schacht scheint keine Sonne, einziger Schmuck sind drei sehr alte Säulen, von denen eine rot ist und eine ein ganz einzigartiges Kapitell aufweist.

Der Name Muazzo erinnert mich an den Namen Moatso den ich aus Rethymnon kenne, der besterhaltenen venezianischen Stadt außerhalb Venedigs, auf Kreta, der ehemaligen Kolonie Candia. (Die griechische Sprache bildet u per Doppellaut ou, z per ts.)

Der Blick in die Bücher ist erfolgreich: die Muazzo kamen im 8. Jahrhundert von Torcello nach Venedig zusammen mit den Familien Querini, Gussoni und anderen. 1168 wird ein Antonio Muazzo erwähnt, der die Kirche San Paternian erneuern lässt. Ein Teil der Familie wandert im 13. Jahrhundert mit der Kolonisierung durch Adelsfamilien nach Candia aus. Francesco Muazzo, auf der Insel geboren, beteiligt sich an der Erhebung gegen das Mutterland 1363 (Agios-Titus-Rebellion) und  lässt Giorgio, den Sohn seines Bruders Giacomo, töten, der treu zur Republik steht. Die Linie in Candia brachte außerdem noch 1621 den Schriftsteller Antonio hervor, Autor patriotischer Werke; einen weiteren Antonio, der 1636 auffiel durch Gewalttätigkeiten unter Einsatz von Feuerwaffen gegen seinen Erzfeind Casarini. Der venezianische Zweig lieferte einen Bischof von Caorle, Luca, und viele tapfere Militärs in den langen Türkenkriegen der Serenissima. Das Stammhaus der Muazzo in Castello 6451-54 mit der Fassade zum rio S. Giovanni Laterano ging im 17. Jahrhundert an die Giustiniani über.
(Guiseppe Tassini, Curiosità veneziane)


Auch Sally McKee (Uncommon Dominion) berichtet über die Beteiligung der Muazzo am Aufstand von 1364: 
"Two other of the most prestigious families, the Muazzo and Venier, also contributed their share of participants to the rebel cause. The Muazzo were split between those who clung tenaciously to rebellion and those who capitulated early in the revolt. Three of the sons of the late Pietro Muazzo and his Greek wife, Elena, née Ialina, were massacred together with others by Milletos, the Greek monk, after they had abandoned the rebel ranks."


Schon vor der Rebellion ging ein Muazzo als Skandalnudel in die Archive ein: 

"The name Fancesco Muazzo belonged to several members of the feudatory group at that time, making it very difficult to distinguish one from another. Among the rebels figured a Francesco whom it is tempting to identify as the Francesco who had been involved in a controversy with Tito Venier eight years before. In 1355 a matter concerning Francesco Muazzo and Tito Venier had disrupted the political life of the colony. Venice and the colonial regime must have viewed the issue involved as so sensitive that nowhere is there an explanation of what the two feudatories were supposed to have done. All we know is that the Venetian Senate considered their actions dangerous to Venetian authority and consequently confiscated their property." 
(Bibliogr. Details in der rechten Spalte unter Sachbücher)



Die Muazzo, Corner, Gradenigo und Querini waren die Familien mit den zahlreichsten Zweigen in der Kolonie Candia und die angesehensten und  einflussreichsten Mitglieder des Großen Rats auf Kreta, des Senats von Candia (organisiert analog den politischen Strukturen der Serenissima). Die Insel war, ebenfalls analog zur Mutterstadt Venedig, zunächst in Sestiere aufgeteilt, später aus pragmatischen Gründen in Viertel. Die Muazzo hatten Lehen nicht nur in der Hauptstadt Candia, sondern vor allem auch im Sestiere Castello, auch in der Stadt  Retimo. Erhalten ist in Rethymnon noch eine kleine Kirche neben der früheren Hauptmoschee, heute Odeion, (Corpus Cristi Chapel unter diesem Link), gestiftet von den Schwestern Anna und Maria Muazzo. Und wie die meisten Kolonistenfamilien breiteten sie sich weiter aus, nach Tinos und nach Cattaro (Kotor).


Heute fällt der Name Muazzo als Hotel: im Stammhaus in Venedig gibt es zwei verschiedene Hotels, der Palazzo Muazzo und die Ca' Bauta, auf Kreta die Casa Moazzo Rethymnon. Geschmack oder Preisklasse der Hotels sind nicht das Thema dieses Eintrags.

Enger hoher Innenhof des Palazzo Muazzo, nur zwei Fensterpaare mit Rundbögen und Balkonen versehen

Wappen von einem Haus der Familie Muazzo auf der Insel Tinos
Quelle: Pandektis




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