17. März 2013

Palazzo Loredan - noch eine Führung für Fortgeschrittene


"Noch eine" bezieht sich auf die bereits empfohlene Führung in der Ca' Foscari, per Luftlinie quasi gegenüber auf der anderen Seite des Canal Grande, zu Fuß muss die Accademiabrücke genommen werden. Die Hürde liegt allerdings beim Palazzo Loredan etwas höher, Führungen gibt es nur in italienischer Sprache und vor allem nicht mehrfach wöchentlich, sondern mehrfach jährlich. Die Sache muss sich also ergeben oder gut geplant sein.

Die Termine im 1. Halbjahr 2013 sind Mittwoch 27. März 15:00 Uhr, Mittwoch 10 April 15:00 Uhr, Samstag 20. April 10:00 Uhr, Mittwoch 8. Mai 15:00 Uhr.
Was die Sprache betrifft: hier, wie auch bei der Führung im Palazzo Grimani, wird hervorragend italienisch gesprochen, klar und dialektfrei, gut für Lernende, man profitiert zusätzlich zur interessanten Führung, selbst wenn man nur 50 % versteht (ich!) sozusagen von einer Unterrichtsstunde in italienischer Sprache. (Die Geduld von Kindern wird hier allerdings sehr strapaziert - für sie ist diese Führung nicht zu empfehlen.)


Der Palazzo Loredan liegt ungewöhnlicherweise völlig frei, nur den kleinen Rio San Vidal im Rücken, seitlich wie ein langer schmaler Riegel am noch längeren Campo S. Stefano. Nur wenn man in Richtung Accademiabrücke geht, zeigt er seine Fassade mit Parterre und Piano nobile, (nur an der langen Seite ist die Zwischenetage, der Mezzanin zu sehen). Für venezianische Verhältnisse wirkt das Ganze etwas unproportioniert.

Im Gegensatz zu den raren Führungsterminen ist das Haus werktags für Publikumsverkehr offen und man kann jederzeit das "Panteon Veneto" im Parterre betreten und besichtige. Man kann auch den freundlichen (auch englischsprachigen) Pförtner in seiner Vitrine ganz links und leicht zu übersehen, fragen, ob man mal kurz einen Blick in die obere Etage werfen darf. (Die meisten Räume sind ohnehin verschlossen.) Bei ihm meldet man sich auch unbedingt telefonisch für die kostenlose (!) Führung an: 
041- 2407711.
Das Panteon Veneto zeigt Marmorbüsten bedeutender Männer Venedigs und des Veneto (bedeutende Frauen gibts nicht, bzw. falls doch, werden sie wohl irgendwo diskreter präsentiert, könnte man vermuten), aber mehr als die Männergalerie beeindrucken die schönen Treppenaufgänge rechts und links, die sich auf halber Höhe treffen und vereinen, ein Pozzo aus rotem Verona-Marmor und der ganz ungewöhnliche Grundriss des Erdgeschosses. 


Hier gibt es nicht den üblichen venezianischen 'Androne', den Mittelraum längs durch das Haus mit einem Wassertor zum Kanal, einem Landtor zur Gasse und rechts und links Lagerräumen, dazwischen irgendwo den Treppenaufgang zu den oberen Etagen. (Die Grundrisse der oberen Etagen sind jeweils analog, über dem Androne der 'Portego', der Empfangssaal längs durch das Gebäude, mit einer schmalen Fensterseite zum Kanal, vielleicht sogar einer weiteren Fensterseite gegenüber liegend, und auch hier rechts und links des Portego kleinere Empfangs- und Aufenthaltsräume.)  

Im Palazzo Loredan ist das Parterre breit-quer angelegt, von einem Androne keine Rede, und im Piano nobile, der ersten Etage, führt der Portego nicht durch die ganze Tiefe des Stockwerks, sondern sitzt quer am schmalen Nordtrakt des Gebäudes. Man kann diese ungewöhnliche Raumanordnung auch von außen erkennen: die kleine Nordfassade ist reich verziert mit fünf Bogenfenstern und Balustraden im Piano nobile und einem vorgetäuschten Prachttor im Parterre (sowie fünf bequemen und seltenen Steinbänken zum Ausruhen und Beobachten, was auf dem Campo S. Stefano vor sich geht. Oft besetzt von mampfenden Schulklassen oder anderen sparsamen Venedig-Wanderern.) Diese Fassade trug im 16. Jahrhundert ein farbiges Fresko wie viele Fassaden in Venedig.


Diesen außerordent-
lichen Grundriss nimmt man nur wahr, wenn man schon ein paar Häuser besichtigt hat und deshalb die "normale" Struktur kennt, sei es in diversen Museen (z. B. im Palazzo Mocenigo bei S. Stae) oder in offenen Palästen entlang des Canal Grande während der Biennale. Auch aus diesem Grunde ist die Führung beson-
ders zu empfehlen für erfahrene VenedigbesucherInnen. 


Die Loredans dieses Hauses sind zeitlich weit entfernt von den Loredans mit denen Francesco Foscari zu schaffen hatte, möglichweise auch genealogisch weit entfernt, da kenne ich mich nicht so gut aus. Foscaris Konkurrent war Pietro Lorendan. Dieses Haus wurde getauscht gegen ein Haus bei San Canciano von den Enkeln des Dogen Leonardo Loredan und dann sehr stark baulich verändert. 
Mehr zur Geschichte und Ausstattung des Hauses gibt es als PDF der Broschüre "I Palazzi dell'Istituto Veneto" (ital./engl.). 

Denn es ist einer der Sitze des "Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti", gegründet von Napoleon in Anlehnung an die Académie Francaise.
In Venedig hat das Institut zwei Sitze, den Palazzo Loredan und den Palazzo Franchetti, direkt neben der Accademiabrücke, auf der gegenüberliegenden Seite des Campo S. Stefano. Der Palazzo Franchetti zeigt praktisch rund ums Jahr Kunstausstellungen (gegen ca. 10 € Eintritt) und ist damit immer zu besichtigen, macht auch neben der dort gezeigten Kunst viel her durch seine überbordende Innenausstattung aus dem 19. Jahrhundert. 


Der Palazzo Loredan ist Sitz der jetzt nationalen akademischen Institution mit gewählten Mitgliedern, monatlichen Sitzungen, beachtlichen editorischen Aktivitäten (einiges davon online kostenlos zu lesen), und enthält vor allem Bücher. Die Wände des piano nobile bestehen praktisch aus Büchern. Man wandert von einer Bibliothek in die nächste, jeder Raum ist ausgestattet mit Bibliothekseinbauten aus dem 19. Jahrhundert, mit Leitern, Geländern, Vergitterungen, dazu schön gestalteten älteren Terrazzo-Fussböden, Deckengemälden, Muranoleuchtern. Teilweise sind auch noch alte Möbel vorhanden, ein Traum, in diesem Räumen zu lesen und zu arbeiten. Wobei das Haus nur einen kleinen Teil seines wissenschaftlichen Erbes beherbergt, das Meiste ist ausgelagert in Archive und Bibliothekslager auf dem Festland, aus Platz-, aber auch aus Sicherheitsgründen. 

Die Bibliotheksräume und der Sitzungssaal im Portego und ein einziges bücherfreies 'Boudoir', ausgestattet mit Stuck und Spiegeln sind Teil der Führung durch das Haus, ebenso wie die bei einer Restaurierung 2007 überraschend wieder entdeckte "Allegoria Napoleonica", ein Fresco von ca. 1809, entstanden während der französischen Besatzung Venedigs. Es ist eher zart und blass und wirkt auf mich nicht unflott etwas sarkozysch-brunisch. Ursprünglich war es der Blickfang eines Empfangssaals, wegen Umbauten in kleinere Bibliotheksräume ist es jetzt einen Flur gezwängt und deshalb schwer zu fotografieren. Man kann es dennoch gut seheh im PDF "I Palazzi dell'Istitute Veneto" (S. 14-16).

Zur Führung nicht gehören Wohnräume auf dem Dachboden, die nicht mir und dir, sondern Akademiemitgliedern des Istituto Veneto zur Verfügung stehen, aber per PDF des ausführenden Architekturbüros können wir sie sehen und neidisch sein, falls wir neidisch sein wollen.  





3 Kommentare:

Nauplion hat gesagt…

That is a wonderful building. If you are able to go when there is a conference, you can end up with a magnificent lunch and all the wine you can drink. Two rooms are special -- a small one painted in pastels, covered with plaster ornamentation that gives the impression of an ice palace. The other is the long room looking down toward S. Stefano painted in black with Pompeii-style frescos.

I am sure there are no busts or paintings of women, but there are splendid photographic archives.

Les Idées Heureuses hat gesagt…

Merci pour l'info j'ai pris rendez vous pour la visite au mois d'avril
M de Sclos

Anonym hat gesagt…

Liebe Brigitte, ich habe nach deiner Vorstellung dieses Palastes in meinem letzten Aufenthalt ebenfalls diesen herrlichen Palazzo angeschaut. Sehr beeindruckend und lehrreich. Vom gotischen Treppenhaus bis zum Rokkoko-Zimmer: alles vorhanden. Ansehnlich die große Bibliothek. Schön der Hinweis des Führers auf die gesponserten Uhren des Arztes A.Minich, die man ja ständig vor Augen hat.
Vielen Dank für diesen hervorragenden Tipp.
Aldebaran